Die Herstellung eines Myzel-Kompositmaterials läuft in mehreren Teilschritten ab und wird folgend genauer beschrieben. Grundsätzlich teilt sie sich in [Substratherstellung](#4-substratherstellung) und [Absorberherstellung](#5-absorberherstellung) auf.
Details hierzu werden aus dem Buch "Mind the fungi" (Meyer, V. (2020). Seite 27-29) entnommen. Zudem lassen sich im Buch "Radical Mycology" (McCoy, P. 2016) sowie in zahlreichen öffentlich einsehbaren wissenschaftlichen Arbeiten Anleitungen zur Herstellung von Myzel-Komposit-Materialien finden.
>Der Herstellungsprozess ist patentrechtlich geschützt. Für eine kommerzielle Anwendung ist die Patentlage eingehend zu prüfen, um eine Patentverletzung zu vermeiden.
Beim Herstellungsprozess wird innerhalb einer Woche zuerst das Substrat in Beuteln mit Myzel durchwachsen. Danach wird eine [Negativform](../mould/README.md) mit dem vorkultiviertem Substrat befüllt und hölzerne [Befestigungsanker](../anchor/README.md) in Position gebracht. In den nächsten 4-6 Tagen wächst das Pilzmyzel weiter und verfestigt das Substrat. Zwischenzeitlich wird es aus der Form entnommen. Die vom Myzel durchwachsenen und umschlossenen Holzanker sind fest mit dem Myzelblock verbunden. Nach der Durchwachsung wird der Pilz abgetötet, in dem das Material für 48 Stunden auf über 55 °C erhitzt und getrocknet wird. Ein Weiterwachsen des Pilzes ist nach diesem Schritt ausgeschlossen.
Für die Substratmischung wird die hinzuzufügende Wassermenge auf Grundlage der Ausgangsfeuchte der einzelnen Substratbestandteile berechnet. Da unterschiedliche Substrate verschiedene Wasserhaltekapazitäten besitzen, wird die hinzuzufügende Menge Wasser immer vor Ort und auf Grundlage der aktuellen Restfeuchte der Substrate bestimmt.
Die Masse von 12 Absorbern wird unter Berücksichtigung des Mischungsverhältnisses zunächst auf die jeweiligen Trockenmassen heruntergerechnet. Danach wird die zu wiegende Substratmasse unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Lagerfeuchte berechnet.
**Rechnung:**
38,4 Kg / 2 = 19,2 Kg je Substrat <br>
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**Buchweizenschalen:** <br>
Wasserspeicherkapazität: 59% <br>
19.200 g Buchweizenschalen feucht * 0,41 <br>
= 7.872 g Buchweizenschalen Trockenmasse (0% Feuchtigkeit) <br>
7872 g * 1,117 = 8793 g Buchweizenschalen gelagert (11,7% Feuchtigkeit) <br>
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**Rapsstroh:** <br>
Wasserspeicherkapazität Rapsstroh: 75% <br>
19.200 g Rapsstroh feucht * 0,25 <br>
= 4800 g Rapsstroh Trockenmasse (0% Feuchtigkeit) <br>
4800 g * 1,15 = 5520 g Rapsstroh gelagert (15% Feuchtigkeit) <br>
Die bestimmten Substrat- und Wassermengen werden in einem Substratmischer oder ggf. manuell vermischt. Das Gemisch sollte mindestens 30 min homogenisiert und hydriert werden. Heißes Wasser beschleunigt den Hydrierungsprozess.
Sobald die Kerntemperatur des Substrats unter 30 °C liegt, kann dieses mit einer Pilzkultur beimpft werden. Diese Methode verwendet Reishi, auch glänzender Lackporling (Ganoderma lucidum) genannt.
Jeder Substratbeutel mit einem Gewicht von 1600 g wird mit 80 g Pilz-Körnerbrut beimpft. Hierzu wird die Pilzbrut unter sterilen Bedingungen im Laminarströmungsabzug in die Substratbeutel gekippt. Es ist darauf zu achten, dass das Innere der Substratbeutel nicht berührt wird. Anschließend werden die Beutel mit dem Impulsschweißgerät versiegelt und geschüttelt, bis sich die Pilzbrutkörner gleichmäßig im Substrat verteilt haben. Insgesamt wiegt ein Beutel nun 1680 g. Anschließend wird das Substrat in die Inkubation gegeben.
Dies wird mit einem herkömmlichen Grünguthäcksler realisiert. Das Myzel überlebt den Zerteilungsvorgang. Ausgehend von den einzelnen Fragmenten wird das Myzel anschließend weiterwachsen und sich erneut verbinden.
Vor Inbetriebnahme des Gerätes gilt es, Nitril-Einmalhandschuhe, Mund-Nasenschutz sowie Schutzbrille anzulegen und sich mit dem Gebrauch des Gerätes vertraut zu machen. Bitte Sicherheitshinweise des Herstellers beachten.
Danach sollte zügig mit der Zerkleinerung begonnen werden. Hierzu werden die vorkultivierten Beutel geöffnet und stückweise in den Häcksler gegeben. Unter dem Auslass wird ein ebenfalls desinfiziertes, verschließbares Auffangbehältnis platziert.
Nachdem 2 Beutel zerkleinert wurden, wird die Box von außen desinfiziert und auf die Arbeitsfläche des Laminarströmungsabzugs gelegt und die entsprechende Form befüllt.
Das fragmentierte Material wird unter dem Laminarströmungsabzug unter aseptischen Bedingungen weiterverarbeitet.
Dort liegen die bereits [vorbereiteten Wachstumsformen](../mould/README.md#vorbereitung), 4 [Holzanker](../anchor/README.md) und die Ausrichtungsschablone.
Das Myzel wird bis zum Kragen aufgefüllt (entpsricht 2.300 g Myzel). Anschließend wird die Andrückplatte aufgelegt. Diese wird mit Hilfe von Abstandshaltern über das Anbringen des Deckels auf eine definierte Höhe heruntergedrückt und komprimiert das Myzel flächig.
Die Andrückplatte wurde mittels eines Lasercutters ausgeschnitten. Die Quelldatei mit dem Schneidepfad liegt als .svg vor und lässt sich unter [/src/mech](./src/mech/lasercut_pressure_plate.svg) finden.
Nachdem die Andrückplatte wieder entfernt wurde, wird der Deckel erneut angebracht und mit Kreppband versiegelt. Beim Durchführen der Anker durch die quadratischen Aussparungen im Deckel ist besonders Acht zu geben, dass sich die korrekte Lage der Anker nicht verändert.
Zum Schluss werden die 35 mm Belüftungslöcher im Deckel mit 50 mm Micropore Tape abgeklebt. Hierdurch ist ein passiver Gasaustausch möglich, jedoch ohne, dass Staub oder Kontaminationen in die Wachstumsform gelangen.
Nachdem die Wachstumsform befüllt ist, wird sie bei 24 °C und Dunkelheit für weitere 2 - 4 Tage durchwachsen. Während dieser Zeit erholen sich die Pilzfäden (Hyphen) vom Schock der Zerkleinerung und gehen wieder in vegetatives Wachstum über. Durch das Zerstören der bisher entstandenen Hyphenverbindungen werden sie außerdem zu stärkerer Verzweigung angeregt.
Finden sich zwei Hyphen derselben Art, können sie sich vereinigen. Durch Ineinanderwachsen und Quervernetzen der mikroskopisch feinen Hyphen entsteht ein zusammenhängendes dreidimensionales Netz.
Die Holzanker bestehen aus Buchenholz. Der glänzende Lackporling ist in der Lage, in den Holzanker hineinzuwachsen und somit das Material mit dem Anker zu verbinden.
Sobald die zerkleinerten Myzelstücke wieder eine Einheit gebildet haben, wird die gesamte Wachstumsform gewendet. Die Wände der Box werden hierzu vorsichtig von der Myzeloberfläche gelöst.
<imgtitle="Lockern der Wachstumsform"src="res/assets/media/img/mould_loosen.webp"width="50%">
Nun kann das Myzel umgedreht werden. Es liegt nun mit der Rückseite auf dem Deckel auf und die Holzanker schauen nach unten heraus. Im Anschluss kann die Negativform entfernt werden. Die Aufbewahrungsbox wird erneut aufgesetzt, um ein Austrocknen des Myzels zu verhindern.
Die gedrehten Paneele werden in dem wenige Zentimeter breiten Spalt zwischen Myzeloberfläche und Wachstumsform sogenanntes Luftmyzel bilden - eine Schicht, die sich bis zu 1 cm stark auflagert. Die Oberfläche sieht am Ende dieses Prozesses wattig aus und erinnert an die Oberfläche eines Camembert. Dieses Luftmyzel erzeugt nach dem Trocknungsprozess eine ansprechende Optik und eine angenehm weiche Haptik.
Nach der Lockerung und einer weiteren 2 - 4 Tage langen Wachstumsphase kann das Paneel nun komplett aus der Wachstumsform herausgenommen und in den Trockner gegeben werden.
Im Trockner wird das Myzel zunächst auf für 48 Stunden bei 55°C getrocknet, bis sämtliche Restfeuchtigkeit aus dem Myzel entwichen ist. Anschließend wird es bei 70°C für 2 Stunden erhitzt, um den Organismus zu inaktivieren.
<imgtitle="Trocknen der Prototypen"src="res/assets/media/img/dry.webp"width="50%">
Bei der Benutzung von Hochdruckbehältern, welche auf bis zu 121 °C aufgeheizt werden, ist auf besondere Sorgfalt zu achten. Zusdem sind alle vom Hersteller angegebenen Sicherheitsbestimmungen einzuhalten. Der Betrieb ist nur nach erfolgter Sicherheitseinweisung und mit Schutzausrüstung zulässig.